Somatic Experiencing® (SE)
Einführung
Wenn ein Erlebnis die Grenzen der aktiven Bewältigungsfähigkeit eines Menschen überschreitet, die notwendigen Ressourcen zur Verarbeitung des Erlebens nicht verfügbar sind, die integrative Kapazität des Menschen somit überlastet wird und er mit der Erfassung der Situation überfordert wird, kann die Stresserfahrung als lebensbedrohlich erfahren werden und mit Gefühlen, wie Verzweiflung, Hilflosigkeit, Ohnmacht oder sogar Todesangst einhergehen.
Dauert eine solche Stresssituation zu lange, ist zu viel oder zu intensiv, wie z.B. nach einem heftigen Schrecken oder Schock, hier genannt als Beispiel Naturkatastrophen, anspruchsvollen Operationen oder Trennungserfahrungen, wird die natürliche selbstregulatorische Fähigkeit des Menschen, sich nach einem Schrecken oder Schock zu erholen, das Erlebte einzuordnen und entspannt weiterzuleben, ausser Kraft gesetzt.
Die durch den Schrecken aktivierte Überlebensinstinkte, wie Flucht-, Ausweich- oder Kampf-Reaktionen werden frühzeitig unterbrochen und der unverarbeitete Stress der Überlebensaktivierung bleibt als unvollendetes Stressprogramm, in Form einer Erstarrungsreaktion, im Körper-Gefühl-Geist-Seele System als instabiler Zustand zurück. Das lange (H)aus-halten von aktivierten, unvollendeten Überlebensreaktionen kann im Menschen zu Folgeschäden führen.
Folge kann z.B. eine Abspaltung der schmerzlichen Erfahrung aus dem Bewusstsein oder eine Abschaltung der Selbstkontrolle sein. Erlebnisse können somit oft nicht, oder nur bruchstückhaft erinnert werden. So können auch die Körperempfindungen und die Emotionen kaum bis gar nicht mehr spürbar werden. Dies kann zu einer massiven Einschränkung von Lebendigkeit führen.
Hierzu folgende Beispiele:
Ab-Spaltung: Vom Schockmoment herrührende nicht integrierte Informationen, wie Bilder, Gedanken, Gefühle, Geräusche, Gerüche können separat, unzusammenhängend von den anderen Sinneseindrücken im Hirn gespeichert werden und somit nicht nachhaltig verarbeitet werden. Die Wahrnehmung von Ort, Zeit und Persönlichkeit kann dadurch eingeschränkt und gehemmt sein. Diesen Zustand zu erhalten, kann viel Kraft kosten und somit müde machen. Vom desorientierten Stressgehirn aus, ist die Wahrnehmung der Gegenwart gestört.
Stresswiederholungsschleife: Die angesammelte, unverarbeitete, innere Aktivierung, blockiert die Resilienz Fähigkeit des Menschen. Der Mensch neigt somit dazu, aufgrund des konservierten Gefühls der Lebensbedrohung gekoppelt mit dem Stressprogramm der Erstarrung, in eine Gewohnheit der permanent, aktivierten Schutz- und Kampfbereitschaft (Wappnung) der Welt gegenüber zu verharren. Gerät der Mensch an einem anderen Tag in einen dem erfahrenen Trauma ähnlichen Kontext, veranlasst die Stresswiederholungsschleife eine umgehende, nicht reflektierte Reaktion mit direkter Aktivierung des Gefühls der Lebensgefahr und damit verbundenen vegetativen, emotional, mentalen unangemessenen Reaktionen. Der Bezug zur aktuellen Situation ist blockiert. Der Mensch kann immer wieder in die Erinnerungen der Erfahrungen der Vergangenheit abtauchen. Positiv Freundliches in der Gegenwart wird nicht mehr wahrgenommen, weil der Geist vom Alten überflutet ist. „Altgier herrscht, anstelle von Neugier vor“.
Wegen der Überaktivierung und der Überempfindlichkeit oder der Unteraktivierung und Betäubung kann das Begabungspotential des Menschen nicht ausgeschöpft werden. Die Menschen finden sich plötzlich in Berufen wieder, in denen sie unterfordert und unglücklich oder überfordert sind.
In solchen Zuständen wird Somatic Experiencing® als Methode genutzt, um die Bewältigungsfähigkeit des Erlebten zu unterstützen, die Anpassungsfähigkeit wieder herzustellen und die Stresstoleranz, bzw. die Bewältigungsfähigkeit zu vergrössern. Es wird genutzt, um das desorganisierte Gehirn in seiner Reorganisation und Neuorganisation zu unterstützen. Dafür wird auf die Entwicklung eines selbstregulierten Nervensystems und damit verbundenen Hormon- und Immunsystems durch Co-Regulation geachtet, was als eine solide Grundlage zur Entwicklung einer breiten Resilienz Kapazität und Trauma-Verarbeitung führen soll.